Schon seit einigen Wochen grassiert das Gerücht im Mittelrheintal, der Landesbetrieb Mobilität (LBM) würde mit Beginn der Sommerferien die Bundesstraße 9 zwischen Boppard und Spay zwecks Instandsetzung der Fahrbahn voll sperren. So richtig geglaubt hat es kaum jemand, da abgesehen von Unfällen, Felsstürzen und dergleichen die B9 noch nie – zumindest nicht für Fahrbahnerneuerungen – voll gesperrt wurde. Das hatte gute Gründe. Die Bundesstraße 9 hat an der von der Bundesanstalt für Straßenwesen betriebenen automatischen Zählstelle in Rhens ein tägliches Verkehrsaufkommen von 10.168 Kfz/Tag im Durchschnitt. Das höchste Verkehrsaufkommen ist in den Sommerferien zu verzeichnen, da das Mittelrheintal bekanntlich ein touristischer Hotspot in Rheinland-Pfalz ist.
Wie kommt also der LBM dazu, mitten in der Hochsaison diese Hauptverkehrsader im Mittelrheintal zu sperren? Die in der Presse angeführten Gründe, dass in den Schulferien der Schulbusverkehr nicht beeinträchtigt wird und weniger Berufspendler unterwegs sind, erscheinen hier etwas weltfremd, da im betroffenen Abschnitt der B9 auch außerhalb der Ferien keine Schulbusse verkehren und der urlaubsbedingte verminderte Berufspendlerverkehr durch den Touristenverkehr mehr als ausgeglichen wird. Dazu kommt noch, dass die Großveranstaltung „Rhein in Flammen Koblenz“ in die Sperrzeit fällt.
Die vom LBM ausgewiesene Umleitungsstrecke über die L210 (Simmerner Straße) B327, L208 (Waldesch – Rhens) bedeutet für die Strecke Boppard-Spay einen Umweg von 26,5 Kilometer beziehungsweise 33 Minuten mehr Zeitaufwand. Gleiches gilt natürlich für Einsatzfahrzeuge der Polizei, Feuerwehr oder Krankenwagen. Scheinbar spielen solche Fakten – die Menschenleben gefährden können – keinerlei Rolle bei den Planungen.
Die größte Frage aber ist, warum eine Fahrbahndecke, die nach Presseberichten des LBM selbst aus dem Vorjahr zwar leicht verminderte Reibwerte aufweist (deshalb die Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h) in einem ansonsten guten Zustand befindet, überhaupt für etwa eine Million Euro saniert werden muss, erschließt sich einem geistig vernünftigen Menschen nicht. Gleiches gilt für den Umstand, dass die angegebene Umleitungsstrecke über die Simmerner Straße bis Ende Juli halbseitig gesperrt (Mobilitätsatlas RLP/Ampelregelung) ist, damit das zu erwartende Chaos komplettiert.
Zuletzt noch ein Hinweis auf das Totschlagargument des LBM, eine halbseitige Verkehrsführung mittels Lichtsignalanlage wäre aufgrund der vorhandenen Fahrbahnbreite und den gesetzlichen Vorgaben nicht möglich. Die Vorgaben für Straßenbaustellen finden sich in der ASR A5.2 (Anforderungen an Arbeitsplätze und Verkehrswege auf Baustellen im Grenzbereich zum Straßenverkehr/Straßenbaustellen aus dem Jahr 2022). In der dazugehörigen Handlungshilfe sind die Lösungsansätze für Straßen, die aus verkehrlichen Gründen nicht voll gesperrt werden können, genauestens beschrieben. Einfach mal nachlesen und nachdenken, lautet hier die Empfehlung.
Dem Rheinländer an sich wird ja eine gewisse geistige Geschmeidigkeit und Gelassenheit nachgesagt.
Schaun wir mal …
Wilfried Minning, Boppard-Bad Salzig