Oberwesel. 2018 war ein großartiges Weinjahr. Für Winzer Stephan Fendel aus Oberwesel und Hotelier Gerd Ripp fand es aber erst am 21. Januar 2019 lange vor Sonnenaufgang mit der Eisweinlese seinen fulminanten Höhepunkt. Es war die Nacht der Nächte, die „Blutmond“-Nacht, und der delikate Tropfen, der daraus nach perfekter Reife von vier Jahren entstand, wurde auf der Berliner Wein Trophy 2022 nun als Wein der Weine mit der höchsten Jury-Auszeichnung bewertet: Großes Gold.
Die Berliner Wein Trophy ist die bedeutendste Weinverkostung in Deutschland und der größte internationale Weinwettbewerb der Welt. Über 10.000 Weine aus 41 Ländern wurden dieses Jahr eingereicht und von mehr als 400 Juroren mehrtägig verkostet. Nur drei Weißweine aus dem Jahrgang 2018 erreichten überhaupt die höchste Auszeichnung: ein im Holzfass gereifter Sauvignon Blanc aus Kärnten, ein Pinos Gris aus dem Elsass und der Oberweseler Römerkrug Riesling Eiswein Blutmond.
Stephan Fendel vom Weingut Weiler-Fendel in Oberwesel erklärt: „Wir hatten hoch gepokert und die Trauben bis zum 21. Januar hängen gelassen. Wenn es in dieser Nacht nicht kalt genug für die Eisweinlese gewesen wäre, dann hätten wir einen Totalverlust verbuchen müssen. Und dann kam sie: die Nacht der Nächte und vor einigen Tagen dann auch die Nachricht der Nachrichten – für uns und natürlich auch für die Region Mittelrhein als Top-Riesling-Anbaugebiet: Die höchste Auszeichnung, die auf der Trophy vergeben wird!“
Selbst die ältesten Winzer können sich kaum daran erinnern, dass so spät und in so guter Qualität Eisweintrauben in so gesundem Zustand geerntet werden konnten. Einerseits mit der richtigen Außentemperatur und andererseits mit dem Zusammenspiel des sehr seltenen Blutmondes. Diese Konstellation kommt ungefähr alle hundert Jahre vor.
Morgens um vier Uhr mussten unter anderem die Auszubildenden des Schlosshotels Rheinfels ran, denn sie bewirtschafteten seinerzeit gemeinsam mit ihren damaligen Chefs Gerd und Petra Ripp sowie Winzer Stephan Fendel ihren eigenen Weinberg und holten mit Stirnlampen bei minus neun Grad Gefrorenes für etwa 165 Flaschen aus dem Hang. Die Öchsle-Waage zeigte wahnsinnige 158 Grad. Gerd Ripp: „Das Projekt ‚Schulweinberg‘ war damals einzigartig in Deutschland. Heute bewirtschafte ich den gleichen Weinberg gemeinsam mit vier guten Freunden und ich muss sagen: Wir sind alle sprachlos und natürlich extrem motiviert, weil aus ‚unserem Weinberg‘ so ein großes Gewächs hervorgegangen ist.“
Die Idee zur Einreichung bei der Berliner Wein Trophy entstand erst spät. Initialzündung war ein Besuch des Schauspielers und Sängers Ulrich Tukur im Rahmen der Simmerner Filmfestspiele im Oberweseler Weingut. Seine Begeisterung über den Blutmond-Eiswein gab den Ausschlag für die mutige Bewerbung.
Bleibt nur noch die Frage: Kann man den „Blutmond“ käuflich erwerben? Gerd Ripp lacht: „Das wird nicht billig. Ich habe die Restbestände aus den 165 Flaschen bisher gehütet wie meinen Augapfel. Offenbar völlig zu Recht. Ja, aber es gibt schon eine kleine Warteliste und Ende des Jahres werde ich pro Interessent maximal drei 0,5 l-Flaschen abgeben.“
Die Römerkrug-Hobbywinzer haben auch aus einem Teil des 2021er-Jahrgang nach drei Jahren Risiko-Pause wieder eine kleine Menge Eiswein gelesen, der in Kürze abgefüllt wird. Dass die über 70 Jahre alten Reben auf dem steilen Schieferboden aber wieder annähernd so etwas Großartiges hervorbringen, das darf maximal erhofft, aber wohl nur sehr vorsichtig erwartet werden.