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Sitzungsboykott als Bekenntnis zur Demokratie?

RHA Leserpost

Am Montagabend, 25. Januar, 18 Uhr, begann, in Zeiten des Corona-Lockdowns, eine Präsenzsitzung des Stadtrates in der Stadthalle in Boppard. Soweit ist dies aus mei­ner Sicht schon eine befremd­li­che Meldung, sind wir doch als Bürger zu strik­ter Kontaktbeschränkung auf­ge­ru­fen. Wieso dies also nicht auch für Kommunalpolitiker gel­ten soll, erschließt sich mir nicht. Diese Sitzung wur­de aus­schließ­lich des­halb als Präsenzveranstaltung durch­ge­führt, weil eine Mehrheit aus CDU, Grünen und FWG einer Videokonferenz zur Herbeiführung not­wen­di­ger Beschlüsse des Stadtrates nicht zuge­stimmt hat­te. Dass aktu­ell über­all in Politik und Wirtschaft Beschlüsse per Videokonferenz her­bei­ge­führt wer­den, zähl­te als Argument eben­so wenig wie der Blick auf den immer noch viel zu hohen Corona-Inzidenzwert und den Gesundheitsschutz aller Anwesenden, auch der Mitarbeiter der Verwaltung. Auch dass Kommunalpolitiker die­ser Tage eine wich­ti­ge Vorbildfunktion ein­neh­men müss­ten und auch die Bundes-CDU einen Parteitag digi­tal statt­fin­den las­sen konn­te, spiel­te offen­sicht­lich kei­ne Rolle. So muss­te die SPD als Fraktion sich der Mehrheit beu­gen und auch ent­ge­gen ihrer eige­nen oben beschrie­be­nen Haltung zur Sitzung erscheinen. 

Wie bereits durch Veröffentlichung ein­zel­ner Stadtratsmitglieder und der Presse bekannt ist, folg­te nach Eröffnung der Sitzung der Aufruf des Tagesordnungspunktes eins, in dem der Stadtrat über eine Petition im Zusammenhang mit dem Mehrgenerationenpark Boppard befin­den muss­te. Die Beschlüsse zur Errichtung eines Mehrgenerationenparks in der Rheinallee in Boppard waren zuvor von allen zustän­di­gen Gremien der Stadt bereits getrof­fen wor­den. Die Petition war, so führ­te es der Bürgermeister aus, nicht in der vom Gesetzgeber vor­ge­ge­be­nen Frist ein­ge­reicht wor­den, viel­mehr waren bereits Aufträge zur Durchführung der Baumaßnahme ver­ge­ben wor­den. Was ein Eilantrag der Petitenten beim Verwaltungsgericht nicht bewir­ken konn­te, näm­lich den Stopp des Bauprojektes, soll­te nun der Stadtrat nach Meinung von CDU, FWG, Grünen und FDP durch­set­zen. Zu die­sem Zweck schob man aus mei­ner Sicht dreis­ter­wei­se das hohe Gut von Petitionen zur Bürgerbeteiligung vor. Doch dar­um konn­te es an die­ser Stelle über­haupt nicht gehen. Letztendlich muss­te der Stadtrat gemäß gel­ten­dem Recht die Unzulässigkeit der Petition fest­stel­len und tat dies auch mehrheitlich. 

Zur Verwunderung und auch zum Entsetzen der anwe­sen­den übri­gen Stadtratsmitglieder ver­lie­ßen dar­auf­hin CDU, FWG, Grüne und FDP, teil­wei­se wut­ent­brannt, den Sitzungssaal. 

Es ist aus mei­ner Sicht eine offen­kun­dig schi­zo­phre­ne Haltung, einer­seits das hohe Lied der Demokratie zu besin­gen und dann, nach einer gül­ti­gen und vor allen Dingen recht­mä­ßi­gen Entscheidung des Stadtrates, den Sitzungssaal zu verlassen. 

Ein Demokratiebekenntnis sieht mei­nes Erachtens anders aus.
Sandra Porz, Boppard-Udenhausen

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