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Hintere Dickt, Vorbild für Eisenbolz und Dammigtal?

Kahlschlag Boppard Eisenbolz

Schon eini­ge Male wur­de in der Öffentlichkeit die land­schaft­li­che „Schönheit“ der Hintere Dickt als Vorzeigegebiet prä­sen­tiert. Fachlich betrach­tet soll hier der Begriff Schönheit nicht kom­men­tiert wer­den, den Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Aber vie­le Punkte der Landschaftsgestaltung soll­ten genau­er betrach­tet werden.

Vor rund 20 Jahren began­nen ers­te Entbuschungsmaßnahmen auf dem Gelände der Hinteren Dickt. Brombeeren und ande­re Sträucher wur­den ent­fernt und die Obstbäume frei­ge­stellt. Dieses ehe­ma­li­ge Streuobstgebiet war schon Jahrzehnte zuvor aus der Nutzung gefal­len. Das heißt, die Obstbäume waren vor 20 Jahren schon über­al­tert und Neupflanzungen haben bis heu­te nicht statt­ge­fun­den. Daher zeigt sich die Hintere Dickt mit weit über 50 Prozent abgän­gi­gen Obstbäumen und einem hohen Anteil an Totholz eher nicht als Streuobstwiese. Nach der Entbuschung fehl­te die ent­spre­chen­de Pflege zur Erhaltung einer Streuobstregion. Neupflanzungen fan­den nicht statt, um eine Entwicklung zur Streuobstlandschaft zu ermög­li­chen. Die im ver­gan­ge­nen Herbst gepflanz­ten fünf sehr jun­gen Obstbäume benö­ti­gen noch vie­le Jahre, ehe sie den öko­lo­gi­schen Wert von abgän­gi­gen Bäumen errei­chen. Diese ver­schwin­dend gerin­ge Anzahl ist für ein meh­re­re Hektar gro­ßes Gebiet nicht erwäh­nens­wert. Die Pflegelücke der ver­gan­ge­nen 30 Jahre macht sich im Erscheinungsbild der Hinteren Dickt deut­lich bemerk­bar. Es fehlt an Organisation, Ideen und Handelnden, um so ein ehr­gei­zi­ges Projekt einer Landschaftsänderung nach­hal­tig fort­zu­füh­ren. Alleine ein Naturschutzgebiet aus­zu­ru­fen und den ent­wi­ckel­ten Landschaftstyp zu ent­fer­nen, reicht nicht aus. Wie sieht die zu erwar­ten­de Landschaftsentwicklung für die Jahre nach der Entbuschung aus? Planungen? Pflege? Wer? Diese Fragen stel­len sich auch für mich zum Dammigtal und Eisenbolz.

Am Beispiel der Hinteren Dickt sehen wir neben dem über­al­tern­den und abgän­gi­gen Obstbaumbestand Weidenutzung der Freiflächen, um ein erneu­tes Verbuschen zu ver­hin­dern. Während die klei­ne Herde des einen Rinderhalters die Tiere regel­mä­ßig auf ande­re Flächen umstellt, konn­te man bei der gro­ßen Herde des zwei­ten Rinderhalters ein regel­mä­ßi­ges Überweiden der Flächen beob­ach­ten, da der Tierbesatz regel­mä­ßig zu hoch und die Verweildauer extrem zu lang war. Die Weidepflanzen wer­den dadurch geschä­digt, wach­sen nicht so schnell nach, vie­le Arten ver­tra­gen das nicht und ver­schwin­den von der Weide. Mit der zusätz­li­che Überdüngung und Zertrampelung sinkt die Artenvielfalt der Weideflächen extrem schnell. Hier wur­de auch mit dem hoch­wer­ti­gen Silagefutter der Hunger der Rinder gestillt, aber Silagefutter ist für Weidewirtschaft zu hoch­wer­tig. Zwar kann mit exten­si­ver Weidebewirtschaftung, Offenland und Artenvielfalt erzeugt und gehal­ten wer­den, aber dazu feh­len hier noch ent­schei­den­de Komponenten und die bestehen­den müs­sen ver­än­dert werden.

Auch die fünf Tümpel, eini­ge Male als Biotope bezeich­net, ent­beh­ren einer Sorgfaltspflicht. Sie wur­den künst­lich ange­legt. Damit ist eine ziel­ge­rich­te­te Entwicklung nur mit künst­li­cher Nachpflege zu errei­chen. Das funk­tio­niert erfah­rungs­ge­mäß nicht auf Dauer. Die Voraussetzungen für Tümpel sind regel­mä­ßi­ge Wasserzufuhr. Diese kann in der Hinteren Dickt nur durch eine Wiedervernässung der Fläche funk­tio­nie­ren. Dazu muss die beim Bau der Sonderschule vor Jahrzehnten ver­än­der­te Wasserscheide mit Ableitung des Quellwassers ins öffent­li­che Kanalsystem end­lich rück­gän­gig gemacht wer­den. Aktuell trock­nen die Tümpel zu schnell aus und die Lebewesen wie bei­spiels­wei­se Krötennachwuchs ver­en­den regelmäßig.

Gerade der Entwicklungsverlauf der Hinteren Dickt soll­te genau­er betrach­tet wer­den und nicht als Beispiel für die gero­de­ten und ent­busch­ten Flächen gel­ten. Es fehlt offen­sicht­lich ein ent­spre­chen­des Entwicklungskonzept. Um die Artenvielfalt einer Region zu hal­ten oder erhö­hen, müs­sen mehr Faktoren berück­sich­tigt wer­den. Die Einführung oder Förderung eini­ger sel­te­nen Arten reicht dafür nicht aus.

Ulrich Kühl, Boppard-Buchenau

Fotos: Maria Anna Roth, Boppard

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