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Elterntaxi oder der tägliche Wahnsinn an Boppards Schulen

Linienbus

Wisst ihr noch als wir, die Großeltern der heu­ti­gen Kids, Schüler waren? Da traf man sich des mor­gens um Viertel nach sie­ben mit den Nachbarskindern und den Klassenkameraden, um gemein­sam zur Schule zu gehen. Es wur­de sich bereits für den Nachmittag ver­ab­re­det, Schularbeiten aus­ge­tauscht oder ganz ein­fach über das Fernsehprogramm vom Vortag unter­hal­ten. Sofern die Eltern bereits einen Fernsehapparat besaßen. 

Ja, wir gin­gen zu Fuß. Über die damals noch stark befah­ren Oberstraße, einen der Bahnübergänge, dann die „Hohl“ oder die Antoniusstraße hoch zu den Schulen „Auf der Zeil“. Andere gin­gen über den Balz, die alte Rampe an der Kuhwiese vor­bei zum Marienberg, oder über die Mainzer Straße und die Rheinallee zum Gymnasium.

Allzu vie­le tun das heut­zu­ta­ge lei­der nicht mehr. Das Zauberwort heißt Elterntaxi.

Der Grund hier­für ist mir lei­der nicht recht schlüs­sig. Sind es die neu­en Schuhe, die drü­cken, ist es die fri­sche Luft oder fin­den es die Eltern ganz ein­fach noch viel zu früh, ihren Kindern etwas mehr Selbstständigkeit zuzu­trau­en. Ich weiß es nicht. Was ich aller­dings weiß, ist der Umstand, dass die­se Elterntaxis immer mehr zur Plage wer­den. Das ein­zi­ge, was die­se „Übereltern“, davon abhält, ihre Lieblinge bis ins Klassenzimmer zu chauf­fie­ren sind Tore, Absperrpfosten und die Treppenhäuser in den Schulgebäuden.

Da wird jedes Kind ein­zeln mit dem gro­ßen Firmentransporter, dem SUV oder der gro­ßen Limousine gebracht. Der bes­te ist, wer am dich­tes­ten ans Schulgebäude her­an­kommt. Dann die Warnblinker an, den Kofferraum auf, dem Sprössling den Schulranzen ange­zo­gen, noch mal ordent­lich ver­ab­schie­det und dann noch eine Weile win­kend hin­ter­her­ge­se­hen. Man ist ja auch ganz allei­ne auf der Welt und hat mit der Autoschlange hin­ter sich und dem auf­ge­stau­ten Gegenverkehr nicht das gerings­te zu tun. Dann begibt man sich ins Auto und im Losfahren bemerkt man dann, dass einem jede Menge Fahrzeuge ent­ge­gen­kom­men, unter ande­rem auch Schulbusse. Man erschrickt, denn die sind groß, genau gesagt 12 Meter lang und 2,5 Meter breit. Und die Straße ist schmal. Was tun? Anhalten und Handbremse anzie­hen ist Programm. Einen hal­ben Meter vom rech­ten Bordstein, damit nun ja nicht die teu­ren Alus ver­kratzt wer­den. Ein ängst­li­cher Blick hoch zum Busfahrer, er wird schon irgend­wie vor­bei­kom­men, aber ich bewe­ge mich kei­nen Zentimeter.

Sagt mal ihr „Übereltern“, gehts noch? Wen ihr euren Kindern mor­gens schon kei­ne fri­sche Luft gönnt, ihr das Busgeld spa­ren oder die Schuhe eurer Kinder schö­nen wollt, ja wenn ihr sie unbe­dingt mit dem Auto zur Schule brin­gen müsst, dann schließt euch mit meh­re­ren zusam­men. Fahrgemeinschaft nennt man das. Oder lasst eure Kinder in einer der Seitenstraßen nahe der Schule raus. Die kön­nen schon ein paar Meter ganz allei­ne gehen.

Aber ich bit­te euch instän­dig, behin­dert nicht tag­täg­lich und per­ma­nent den Verkehr vor der Schule.

Ganz gewiss gibt es Ausnahmen und für die­se habe ich auch volls­tes Verständnis. Aber es gibt nicht so vie­le Ausnahmen, wie mir tag­täg­lich begegnen.

Hajo Noll
Busfahrer und jeden Tag im Elterntaxi-Chaos unterwegs.

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