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Harte Worte von der UNESCO zum Welterbe Oberes Mittelrheintal

Boppard: Eisenbolz/Hintere Dickt

Der Katalog der Forderungen und Beschlüsse ist lang

Mittelrhein. Das Obere Mittelrheintal ist wegen der land­schaft­li­chen, kul­tu­rel­len, geschicht­li­chen und geo­lo­gi­sche Besonderheiten so ein­ma­lig in der Welt, dass es 2002 auf Antrag des Landes Rheinland-Pfalz in die Welterbeliste auf­ge­nom­men wur­de. Mit die­ser Anerkennung hat der „Vertragsstaat“, auch die Verpflichtung über­nom­men, den Schutz der Welterbestätte zu gewähr­leis­ten und die Auflagen der UNESCO zu erfüllen. 

Eine gemein­sa­me Delegation der UNESCO und der Beratungsorganisation ICOMOS hat im Mai des Vorjahres das Welterbe Oberes Mittelrheintal  bereist und den Erhaltungszustand der Welterbestätte begut­ach­tet. Der jetzt vor­ge­leg­te Bericht die­ser gemein­sa­men Kommission setzt deut­li­che Signale: Dringendes Handeln ist erfor­der­lich, zum Schutze des Welterbes. In einem mehr als 60 Seiten lan­gen Bericht sind die vie­len Kritikpunkte auf­ge­führt, die den Welterbestaus gefähr­den. Bahnlärm, Straßenverkehr, Brückenbau, die damit ver­bun­de­ne Einstellung des Fährverkehrs, Tourismuskonzept, die Gestaltung des Loreleyplateaus, Windräder, BUGA und Eingriffe in die geschütz­te Natur sind in dem Bericht näher beleuchtet.

Bahnlärm
Der Bahnlärm ver­hin­dert ein unge­stör­tes Leben der Menschen, beein­träch­tigt ihre Gesundheit, ent­wer­tet die Region, behin­dert einen flo­rie­ren­den nach­hal­ti­gen Tourismus und muss daher als eine der größ­ten Bedrohungen für die lang­fris­ti­ge Erhaltung des Welterbes betrach­tet wer­den, stellt die Kommission fest. Bereits bei der Einschreibung in die Welterbeliste im Jahr 2002 hat die UNESCO auf die Notwendigkeit der Reduzierung des Bahnlärms hin­ge­wie­sen. Nach 20 Jahren Welterbezugehörigkeit ist jetzt ledig­lich eine Machbarkeitsstudie für die Verlagerung der lau­ten Züge in Vorbereitung. Das ist der UNESCO zu wenig. Sie for­dert die Begrenzung der Geschwindigkeit von Güterzügen zwi­schen Rüdesheim/Bingen und Koblenz so schnell wie mög­lich auf 50 Kilometer pro Stunde. Die Züge sind in den ver­gan­ge­nen Jahren immer län­ger, schwe­rer und schnel­ler gewor­den, führt die Kommission aus. „Gegenwärtig stellt der Eisenbahnlärm die bei wei­tem größ­te Belästigung für die ört­li­che Bevölkerung dar“. 

Mittelrheinbrücke
Die Mittelrheinbrücke darf nicht dem über­re­gio­na­len Verkehr, son­dern aus­schließ­lich der Verbesserung der regio­na­len Bedürfnisse der Menschen am Rhein die­nen, for­dert die Kommission. „Es wur­de nicht dar­ge­legt, wie eine Zunahme des inter­re­gio­na­len oder inter­na­tio­na­len Verkehrs ver­mie­den wer­den kann, da die neue Brücke einen ein­fa­chen Zugang aus der Region öst­lich des Rheins zur Autobahn 61/E31 ermög­li­chen wür­de“, stellt die Kommission fest. Es ist wich­tig, genau zu wis­sen, wel­che Verfahren vor­ge­se­hen sind, um zu ver­mei­den, dass der regio­na­le und inter­re­gio­na­le Verkehr den neu­en Übergang nutzt. 

Straßenverkehr
Eine deut­li­che Zunahme des Straßenverkehrslärms auf den Rheinparallelstraßen und durch die Dörfer und Städte wird bereits jetzt in den für das Raumordnungsverfahren (ROV) vor­ge­leg­ten Gutachten beschei­nigt, obwohl die genann­ten Zahlen, wie auch in den zurück­lie­gend erstell­ten Gutachten bereits fest­ge­stellt, nur begrenzt zu ver­wen­den sind. 

Darüber hin­aus soll nach Ansicht der Mission eine neue stän­di­ge Flussüberquerung nicht die Lebensfähigkeit der Fährdienste beein­träch­ti­gen, die ein his­to­ri­sches Merkmal und eine Besonderheit des Gebiets dar­stel­len. Deren Betrieb muss lang­fris­tig sicher­ge­stellt wer­den. Die Fährbetreiber hat­ten die UNESCO dar­über infor­miert, dass sie mit Inbetriebnahme der Brücke aus wirt­schaft­li­chen Gründen ihre Betriebe nicht wei­ter­füh­ren können

Die Kommission for­dert aber auch die „Visuelle Integrität“ der Brücke, also die Anpassung an die Landschaft. Die zum jetzt abge­schlos­se­nen ROV vor­ge­leg­ten Gutachten zei­gen eine min­des­tens 450 Meter lan­ge und 27 Meter hohe Brücke. Lange Auffahrtrampen sind erfor­der­lich, um die­se Höhe zu errei­chen. Die Sichtachse zur Burg Maus wird damit erheb­lich beein­träch­tigt, eben­so, wie sie in den Sichtachsen von der Burg Katz oder vom Loreleyplateau über den „Dreiburgenblick“ hin­aus deut­lich zu sehen ist. Das wird das Welterbekomitee nicht akzeptieren.

Bei Hochwasser sind die umlie­gen­den Straßen regel­mä­ßig nicht befahr­bar, so in St Goarshausen, Kamp-Bornhofen  oder St. Goar. Die Fahrt über die Brücke endet dann ab 5,80 Meter im Hochwasser. Die Fähren fah­ren aber zum Teil noch bei wesent­lich höhe­ren Wasserständen.

Loreleyplateau
Herz des Welterbes Oberes Mittelrheintal ist das Loreleyplateau. Zur Neugestaltung des Plateaus war auch geplant, einen künst­li­chen “Kristallfelsen” auf die „Mythenraum“ genann­te Ausstellungshalle zu set­zen. Der mit Metallrahmen kon­stru­ier­te und im Wesentlichen ver­glas­te höchs­te Punkt wäre dann mehr als zwölf Meter hoch. Dazu die Mission: „Die Platzierung des “Kristallfelsens” auf dem Dach des “Mythenraums“ wür­de das Wahrzeichen des Welterbes Oberes Mittelrheintal erheb­lich beein­träch­ti­gen. Die Mission emp­fiehlt dem Vertragsstaat, den Bau des Mythenraums mit einem fla­chen Oberlicht und ohne den vor­ge­se­he­nen “Kristallfelsen” abzuschließen“. 

Das neue wei­ße Dach der Freilichtbühne der Loreley hat einen nega­ti­ven visu­el­len Einfluss auf die Attribute, die den außer­ge­wöhn­li­chen uni­ver­sel­len Wert der Welterbesstätte aus­ma­chen, stellt die Bereisungskommission fest. Das muss schnell geän­dert wer­den, for­dert die Kommission. 

Sommerrodelbahn
Auch die Sommerrodelbahn ist als eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes zu betrach­ten, bestä­tigt die ICOMOS Advisory Mission bereits im Report 2012. Die UNESCO hat­te dar­auf­hin den Abbau der Sommerrodelbahn gefor­dert. Jetzt emp­fiehlt die Mission dem Vertragsstaat, „Die Betriebsgenehmigung für die Sommerrodelbahn soll­te nach Auslaufen der Genehmigung nicht am der­zei­ti­gen Standort ver­län­gert wer­den. Langfristig kön­nen alter­na­ti­ve Standorte gefun­den werden“.

Windpark in Boppard-Weiler
„Die UNESCO nimmt mit Besorgnis zur Kenntnis, dass ein Windpark in Boppard-Weiler (Fleckertshöhe) geneh­migt wur­de, obwohl die Sichtachsenstudie des Projekts zu dem Ergebnis kam, dass Windräder dort mit dem außer­ge­wöhn­li­chen uni­ver­sel­len Wert der Welterbestätte (OUV) unver­ein­bar sind. Der Vertragsstaat wird drin­gend auf­ge­for­dert, „zur Vermeidung nega­ti­ver Auswirkungen die­ser Projekte auf den OUV recht­lich begrün­de­te Lösungen zu fin­den, die es ermög­li­chen, Anträge für Windenergieprojekte abzu­leh­nen, die poten­zi­ell nega­ti­ve Auswirkungen auf den OUV haben könn­ten“ heißt es in einer bereits zurück­lie­gend getrof­fe­nen Entscheidung des Welterbekomitees. Jetzt sind die Windräder gebaut und von den umlie­gen­den Aussichtspunkten deut­lich zu sehen. Das wird auch die UNESCO wohl kaum über­se­hen können.

Natureingriffe Eisenbolz-Hintere Dickt in Boppard
Der Bericht der Mission ver­weist mehr­fach auf das Einhalten der UNESCO-Leitlinien. Danach ist das Welterbekomitee vor­ab von der Absicht zu unter­rich­ten, in einem geschütz­ten Gebiet grö­ße­re Restaurierungsarbeiten vor­zu­neh­men, „um sicher­zu­stel­len, dass der außer­ge­wöhn­li­che uni­ver­sel­le Wert des Welterbes in vol­lem Umfang erhal­ten bleibt.” Das Naturschutzgebiet Eisenbolz-Hintere Dickt ist mit Rechtsverordnung geschützt „als Lebensraum sel­te­ner, in ihrem Bestand bedroh­ter Pflanzen- und Tierarten“. Dennoch ist groß­flä­chig in die geschütz­te Natur ein­ge­grif­fen wor­den. Die Stadt Boppard hat­te dage­gen Einspruch ein­ge­legt. Im September 2022 wur­de die­ser Einspruch auf Antrag von Stadtrat Loringhofen mit Unterstützung von BfB, SPD, FDP und Linke außer Kraft gesetzt. Insbesondere im Bereich Hintere Dickt gehen die Eingriffe in die Natur jetzt weiter. 

Die Eingriffe in die Natur dort sind als der­art erheb­lich anzu­se­hen, dass sie die Kriterien der UNESCO-Meldeverpflichtung erfül­len dürf­ten. Das Welterbebüro in Paris ist jetzt über die Natureingriffe in Kenntnis gesetzt, mit der Bitte um Prüfung der Meldeverpflichtung. 

Das SWR-Fernsehen hat das Thema auf­ge­grif­fen und gefragt: „Ist der UNESCO-Status gefähr­det (https://​www​.swr​.de/​s​w​r​a​k​t​u​e​l​l​/​r​h​e​i​n​l​a​n​d​-​p​f​a​l​z​/​k​o​b​l​e​n​z​/​u​n​e​s​c​o​-​w​e​l​t​e​r​b​e​-​o​b​e​r​e​s​-​m​i​t​t​e​r​h​e​i​n​t​a​l​-​1​0​0​.​h​tml)?  

Das UNESCO-Welterbekomitee wird in die­sem Jahr dar­über ent­schei­den. Dieses Komitee ist das wich­tigs­te, mit der Umsetzung der Welterbekonvention betrau­te Gremium. In sei­nen jähr­li­chen Sitzungen ent­schei­det es unter ande­rem über Einschätzungen zum Erhaltungszustand der Welterbestätten und die Liste des Welterbes in Gefahr. Wesentliche Grundlage für die Entscheidungen sind die Reiseberichte der Missionen. Auf der Liste des UNESCO-Welterbes ste­hen der­zeit 1.154 Kultur- und Naturstätten in 167 Ländern. 52 davon gel­ten der­zeit als bedroht. 

Klaus Thomas, Boppard

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