Mittelrhein. Das Thema Bahnlärm im Mittelrheintal ist ein ähnlicher Dauerbrenner wie die Diskussionen um den Bau einer Mittelrheinbrücke. Bei der Realisierung der seit vielen Jahren geforderten Rheinquerung sieht es derzeit gut aus. Vieles deutet darauf hin, dass politische Hindernisse für den Bau aus dem Weg geräumt worden sind. Beim Thema Bahnlärm herrscht hingegen weiterhin große Unzufriedenheit bei den betroffenen Menschen im Oberen und Unteren Mittelrheintal. Ungeachtet der zahlreichen sinnvollen Lärmschutzmaßnahmen, die bereits umgesetzt wurden und noch geplant sind, fordern die Bürgerinitiativen vehement den Bau einer Entlastungsstrecke.
Doch davon ist man offenkundig „Lichtjahre“ entfernt. „Keine Chance auf eine Alternativtrasse für das Mittelrheintal“ – das ist die Kernaussage des Antwortschreibens, das der Koblenzer CDU-Bundestagsabgeordnete Josef Oster aus dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr erhielt, nachdem er sich an den Verkehrsminister Volker Wissing gewandt hatte. Das Verkehrsministerium teilt nicht die Überzeugung des Bundestagsabgeordneten, dass der Mittelrhein diese Trasse dringend braucht.
Alternativtrasse vom Tisch
Josef Oster, der sich in der Zeit der von der CDU geführten Bundesregierung erfolgreich für Lärmschutz-Maßnahmen eingesetzt hatte und sich für eine Alternativtrasse ausspricht, ist Mitglied im Beirat „Leiseres Mittelrheintal“ und in Bürgerinitiativen gegen den Bahnlärm. „Lärmschutzwände und weitere Schritte sind gut, können aber kein Ersatz für eine Alternativtrasse am Mittelrhein sein“, sagt der Bundestagsabgeordnete nach der jüngsten Sitzung des „Beirates Leiseres Mittelrheintal“ in Braubach. Wie ein Vertreter der Deutschen Bahn bei der Versammlung bekräftigte, will das Unternehmen bis 2028 diverse weitere Lärmschutzmaßnahmen umsetzen. Aber eine Alternativtrasse als einzig wirklich wirksame Lösung des Problems ist erstmal vom Tisch.

Oster kritisiert Ministerium scharf
Grund für das Aus der Alternativtrasse: mangelnde Wirtschaftlichkeit. Dies geht aus der vom Berliner Verkehrsministerium beauftragten Studie “Eisenbahnkorridor Mittelrhein: Zielnetz II” hervor, die ein Gutachter den Mitgliedern des Beirates und den Gästen der Sitzung vorstellte. Dass hier offensichtlich wirtschaftliche Interessen über die Gesundheit und den Schutz der Menschen am Mittelrhein gestellt werden, schmeckt weder dem stellvertretenden Vorsitzenden des Beirates, Willi Pusch, noch dem CDU-Abgeordneten.
Wissings 180-Grad-Wende
Besonders bitter: Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte sich im Jahr 2019, damals noch als Wirtschaftsminister des Landes Rheinland-Pfalz, im Bundestag deutlich für den Neubau einer alternativen Strecke östlich des Rheintals ausgesprochen. Wirtschaftliches Interesse dürfe nicht über der Gesundheit unzähliger Bürger stehen. “Wissings heutiges Schulterzucken dazu ist ein Schlag ins Gesicht für die Mittelrheiner”, so Oster. Dass das Verkehrsministerium die Auslastung der Bestandsstrecken kontinuierlich prüfen und gegebenenfalls reagieren will, sei ein schwacher Trost.
Willi Pusch und Josef Oster sind überzeugt, dass in Zukunft mehr Güterverkehr auf die Schienen verlegt werden muss. Dabei liege die Auslastung schon heute teils bei 100 Prozent. Das enge Tal könne wohl kaum noch mehr Güterzüge verkraften. “Wir brauchen diese Trasse”, betont Oster. „Und es wird Jahre dauern, bis sie umgesetzt sein wird. Je eher wir damit anfangen, desto besser.“
Zitat Wissing: Der heutige Bundesverkehrsminister Volker Wissing sprach am 15. März 2019 als rheinland-pfälzischer Staatsminister im Deutschen Bundestag:
(…) Insofern darf es keine Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen und den gesundheitlichen Interessen unzähliger Bürgerinnen und Bürger geben. Die einzige sinnvolle Alternative zur bisherigen Trassenführung ist eine neue Schienenverkehrstrasse.
(…) Gegenwärtig stehen die wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft im Vordergrund, unter Inkaufnahme der gesundheitlichen Schäden der Menschen in diesem Tal und unter der Inkaufnahme, sie ihrer wirtschaftlichen Perspektiven zu berauben. Das ist unfair. Ich sage es noch einmal: Das ist keine Abwägung, die sich im Rahmen des Konsenses unserer gesellschaftlichen Wertvorstellungen bewegt. Deswegen muss das so schnell wie möglich geändert werden.