Region. Das Weinjahr 2023 wird den Winzern mit Sicherheit in Erinnerung bleiben. Klimakapriolen mit Trockenheit, Nässe und Hitze haben selbst den erfahrensten Profis alles abverlangt. „Noch im August hatten wir mit einer Top-Ernte gerechnet. Dann aber sind wir tief gefallen“, zieht Joachim Lorenz, Vizepräsident des Weinbauverbandes Mittelrhein, eine erste Bilanz nach der Weinlese. Auch wenn es innerhalb der Region je nach Lage Unterschiede bei den Ergebnissen der Weinlese gibt, nennt Joachim Lorenz, der auch Chef des traditionsreichen Weingutes Toni Lorenz ist, eine Zahl, die niederschmetternd ist: „Beim Riesling haben wir historisch niedrige Erträge. Ich gehe davon aus, dass wir das schlechteste Ergebnis seit 40 Jahren registrieren müssen“, so Joachim Lorenz.
Damit es keinen totalen Ernteausfall gibt, mussten die Winzer praktisch rund um die Uhr mit ihren Erntehelfern in den Weinbergen arbeiten. Nach einer Trockenphase gab es eine für die Trauben gefährliche Kombination aus viel Regen mit hohen Temperaturen. Abquetschschäden, Fäulnis und die gefürchtete Essigfliege machten extrem intensives Arbeiten nötig und führten letztlich auch zur Notwendigkeit einer beschleunigten Weinlese. „Mit der enorm intensiven Arbeit haben wir gerettet, was zu retten war“, sagt Joachim Lorenz.
Hohe Zuckerwerte
Während es bei anderen Sorten wie beispielsweise dem Spätburgunder für die Winzer gute Ergebnisse gab, gab es im bekannten „Riesling-Anbaugebiet“ sehr geringe Mengen bei zugleich sehr hohen Zuckerwerten. „Zweidrittel der Ernte hat mehr als 100 Grad Oechsle“, so Joachim Lorenz. „Liebhaber von trockenen Weinen werden wohl auf frühere Jahrgänge zurückgreifen müssen. Die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen haben da zum Glück noch gute Weine im Keller. Der aktuelle Jahrgang wird von edelsüßen Weinen geprägt sein“, prognostiziert der Bopparder Winzer.
Langsame Gärung wichtig
Mit der abgeschlossenen Weinlese ist allerdings noch nicht final über Wohl und Wehe des 23er-Jahrgangs entschieden. „Der letzte Nagel ist noch nicht eingeschlagen“, weiß Lorenz. So wie die Weinlese nicht in gewohnter 08/15-Routine gelaufen ist, wird auch die Arbeit im Keller alles an Erfahrung abverlangen. „Wegen der hohen Tages- und Nachttemperaturen, denen die Trauben bis zur Lese ausgesetzt waren, kommt es jetzt auf eine schnelle Verarbeitung an. Ganz wichtig ist dabei, dass die Trauben unverzüglich heruntergekühlt werden, damit die Gärung möglichst langsam verläuft. Andernfalls werden wertvolle Aromastoffe ausgegast“, nennt Joachim Lorenz, worauf es jetzt ankommt.
Natürlich ist bei dieser „Kellerarbeit“ immer das Know-how der Winzer gefragt. Aber in diesem Jahr ist die Ausgangslage so kompliziert, dass neben dem handwerklichen Können auch die moderne Kellertechnik für eine kontrollierbare und überschaubare Gärung von größter Bedeutung ist. „Noch die Generation meines Vaters hätte da trotz ihres Wissens und ihrer Erfahrung kaum was machen können. Das Ergebnis wäre vermutlich ein totaler Ausfall des Riesling-Jahrgangs gewesen“, betont Joachim Lorenz, wie wertvoll der Einzug der Technik in die Betriebe ist.