Mittelrhein. Die Enttäuschung bei den Bürgerinitiativen gegen den Bahnlärm und vielen Menschen im Mittelrheintal ist groß. Das Ergebnis der Machbarkeitsstudie für eine Alternativtrasse, die einen erheblichen Teil des Güterverkehrs am Tal vorbeiführen könnte, war so etwas wie ein Tiefschlag. Alle Varianten für eine Alternativstrecke erreichen nicht den volkswirtschaftlichen Nutzen, der die notwendigen Investitionen in Milliardenhöhe rechtfertigen würde. Der Traum von einer Alternativtrasse für die Rheintalstrecke scheitert an den hohen Kosten. Außerdem ist nach der Machbarkeitsstudie die bestehende Strecke durch das Mittelrheintal noch nicht ausgelastet. Sie kann nach dem Untersuchungsergebnis noch deutlich mehr Verkehr verkraften. Die erwartete Zunahme des Güterverkehrsaufkommens kann – so das Ergebnis der Studie, die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur auf den Weg gebracht worden war – auf den bestehenden Bahnstrecken im Rheintal abgewickelt werden.
Eine Alternativtrasse wird von Bürgerinitiativen, Kommunen und Anwohnern seit Jahren vehement gefordert. Auch der heutige Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte in seiner Zeit als rheinland-pfälzischer Wirtschaftsminister seinen Berliner Amtsvorgänger zum Handel aufgefordert und sich eindeutig auf die Seite der Menschen im Mittelrheintal gestellt. Jetzt musste der FDP-Minister das Aus der Alternativtrassen-Träume verkünden. Der Koblenzer CDU-Bundestagsabgeordnete Josef Oster, ist tief enttäuscht. „Für die Menschen am Mittelrhein ist das Ergebnis der Machbarkeitsstudie ein herber Tiefschlag im Kampf gegen Bahnlärm. Für mich ist das Thema Alternativtrasse damit nicht erledigt. Als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Koblenz und Mitglied des Beirates „Leiseres Mittelrheintal“ habe ich mich immer für die Trasse eingesetzt und kann nicht akzeptieren, dass Wirtschaftlichkeit über die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger gestellt wird. Unter der CDU-geführten Bundesregierung wurden verschiedene Lärmschutzmaßnahmen im Mittelrheintal umgesetzt, wie etwa die Flüsterbremsen und Lärmschutzwände. Jetzt ist Verkehrsminister Volker Wissing gefordert“, sagt Josef Oster, der selbst Mitglied in Bürgerinitiativen ist.
Die Bürgerinitiativen im oberen und unteren Mittelrheintal, wo übrigens deutlich mehr Menschen vom Bahnlärm betroffen sind als im Welterbeabschnitt zwischen Bingen und Koblenz, haben zwar in den vergangenen Jahren registriert, dass der Bund und die Deutsche Bahn viel für den Lärmschutz getan haben. Für Lärmschutzwände, Flüsterbremsen und Schienenstegdämpfungen und Gleise wurden viele Millionen Euro investiert. Doch all diese Maßnahmen reichen nicht aus, um den Lärm auf ein buchstäblich gesundes Niveau zu reduzieren. Außerdem ist die Angst vor schweren Unfällen mit katastrophalen Folgen für Menschen und Umwelt berechtigt: Das schwere Güterzugunglück im Bereich des Niederlahnsteiner Bahnhofs am 30. August 2020 hat deutlich gemacht, wie gefährlich Transporte sind. Vor allem im engen Mittelrheintal, wo die Strecken auf beiden Rheinseiten mitten durch Orte und Städte führen. Die Bürgerinitiativen setzen sich deshalb neben weiterer baulicher Lärmschutzmaßnahmen auch für ein Tempolimit und immer hörbarer auch für Nachtfahrverbote im Rheintal ein. Bis jetzt stoßen diese Forderungen beim Bund auf taube Ohren.
Laut der Machbarkeitsstudie fahren im Mittelrheintal derzeit nördlich von Koblenz täglich 230 Züge auf der rechten und 100 auf der linken Rheinstrecke. Im unteren Mittelrheintal zwischen Koblenz und Bonn sind es etwas weniger Züge, da ein Teil auf die Moselstrecke abzweigt. Südlich von Koblenz ist das Verkehrsaufkommen etwas geringer.
Bei der Bahn geht man davon aus, dass durch den vorgesehenen Ausbau der sogenannten Sieg- und der Ruhr-Sieg-Strecken das Mittelrheintal entlastet wird. Dies macht neben den enorm hohen Kosten von mindestens neun Milliarden Euro die 130 Kilometer lange Wunsch-Alternative unrentabel. Der extrem geringe Kosten-Nutzen-Faktor schließt den Bau der Alternativtrasse aus und führt im Bundesverkehrswegeplan zur für Bahnlärmgegner bitteren Einstufung „kein Bedarf“. Damit ist der Traum von einer neuen Bahntrasse ausgeträumt. Damit ist aber auch das Unverständnis für die Politik weiter angewachsen. Für viele betroffene Menschen im Mittelrheintal ist es kaum zu akzeptieren, dass Gesundheit und Unversehrtheit wegen einer Kosten-Nutzen-Kalkulation auf der Strecke bleiben. [za]