Rheinland-Pfalz. Nach teilweise heftigen kontroversen Diskussionen ist das neue Bestattungsrecht in Kraft. In Rheinland-Pfalz sind jetzt neue Bestattungsformen möglich. Während einige diese Liberalisierung begrüßen, befürchten andere einen Verlust der Friedhofs- und Trauerkultur. Denn mit den Alternativen zu Erd- und Urnenbeisetzungen auf den Friedhöfen könnten diese als Anlaufpunkte für Trauernde und als Ruhezonen zum Innehalten zunehmend an Bedeutung verlieren. Seit Generationen sind Friedhöfe immer auch Orte zum zwischenmenschlichen Austausch, zum gegenseitigen Trösten und zur Trauerbewältigung
Fakt ist: Schon jetzt ist auf fast allen Friedhöfen reichlich Platz, die Anzahl der Erdbestattungen und Urnenbeisetzungen hat in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen. Friedwälder und Bereiche, in denen Urnenbeisetzungen im Wald möglich sind, sorgen dafür, dass Beisetzungen auf klassischen Friedhöfen rückläufig sind. In Boppard ist auch das Kolumbarium in der Karmeliterkirche eine Alternative zur letzten Ruhe auf dem Friedhof.
Kommunen befürchten, dass sich künftig deutlich weniger Menschen auf den Friedhöfen bestatten lassen und damit die Einnahmen aus den Friedhofsgebühren einbrechen könnten. Damit könnte Geld für Betrieb und Pflege der Friedhöfe fehlen. Die Gebühren müssten angehoben werden.
Katholische und evangelische Kirche kritisieren das neue Bestattungsrecht ebenfalls: Sie sehen Gefahren für die Totenruhe und Würde der Verstorbenen, wenn Asche verstreut, in der Urne zu Hause steht oder in Schmuckstücke eingearbeitet wird. Die Vorstellung von Urnen zu Hause birgt außerdem Konfliktpotenzial: Was ist, wenn Familien zerstritten sind und Angehörige keinen Zugang mehr erhalten? Zudem können Freunde und Bekannte nicht wie bisher Verstorbene „besuchen“.
Wie immer, wenn neue Bestimmungen in Kraft treten, wird sich erst in der Praxis nach einiger Zeit zeigen, welche Auswirkungen das neue Bestattungsrecht haben wird. Gut möglich, dass auf Basis der gemachten Erfahrungen der Gesetzgeber „nachjustieren“ wird. Übrigens: Auch das neue Bestattungsrecht lässt keine willkürlichen Entscheidungen zu: Zu Lebzeiten müssen Verstorbene ihren Willen, wie sie bestattet werden wollen, klar schriftlich festlegen. Geschieht dies nicht, erfolgt die Beisetzung wie gewohnt auf den offiziellen Friedhöfen.
Willkür der Angehörigen ist bei Bestattungen ausgeschlossen
Die Bestattungskultur wird sich mit dem neuen Gesetz verändern, darüber sind sich Gegner wie Befürworter einig. Doch muss das fortan mögliche Mehr an Alternativen nicht mit einem Weniger an Respekt vor der Würde und Einzigartigkeit eines jeden Verstorbenen einhergehen? Experten sind sich auch nicht sicher, ob das neue Bestattungsgesetz das Ende der über Jahrhunderte gewachsenen Friedhofskultur bedeutet. Denn für eine der neuen Alternativen zur Beisetzung auf den Friedhöfen ist eine sogenannte „Totenfürsorgeverfügung“ notwendig. Das bedeutet, dass der Verstorbene zu Lebzeiten schriftlich festgelegt hat, wie und wo er bestattet werden will und welche Person sich nach dem Tod darum kümmern soll. Wie viele Menschen dies tatsächlich machen werden, ist unsicher. Liegt keine schriftliche Erklärung vor, erfolgt die Bestattung nach wie vor auf einem Friedhof. Außerdem spielt bei einem so ernsten Thema auch familiäre Tradition eine Rolle. Viele wollen bei ihrem Partner die letzte Ruhe finden, im Familiengrab oder in der Nähe von Freunden. Es gibt schon einige Gründe, die für eine Beisetzung in den meist gärtnerisch sehr gepflegten Friedhöfen sprechen.
Flussbestattungen gefragt
Eine sicherlich in Boppard und der Region beliebte Bestattungsform dürfte die Flussbestattung von Totenasche sein. Nicht in allen fließenden Gewässern wird diese Form gestattet sein, aber im Rhein, der Mosel, der Saar und der Lahn werden Flussbestattungen möglich sein. Im Beisein von einem Bestatter wird die Asche in einer speziellen Urne aus Zellulose von einem Schiff aus ins Wasser gelassen, wo sie sinkt und sich am Grund auflöst, damit die Asche von der Strömung weitertransportiert wird. In Bad Ems im benachbarten Rhein-Lahn-Kreis diskutiert man zurzeit, ob man eigens für Flussbestattungen in der Lahn einen Steg baut. Eine Idee, die für eine besinnliche Verabschiedung interessant ist.
Urnen dürfen auch zu Hause an einem pietätvollen Ort aufbewahrt werden. Nicht erlaubt sind allerdings Urnenbeisetzungen im eigenen Garten. Interessant sind die Möglichkeiten zur Weiterverarbeitung aus Teilen der Asche. Man kann sie beispielsweise in ein Amulett einarbeiten oder auch aus Asche einen künstlichen Diamanten herstellen lassen. Es soll auch möglich sein, die Asche etwa unter einem Baum auf dem eigenen Grundstück zu verstreuen. Auch dies muss der Verstorbene natürlich zu Lebzeiten schriftlich erklärt haben. Eine weitere Neuerung betrifft Tuchbestattungen – wie im Islam praktiziert – anstelle von Beisetzungen in Särgen.
Vieles ändert sich mit dem neuen Bestattungsgesetz. Bestatter, die schon immer in schweren Stunden des Abschieds beratend und unterstützend bürokratische und organisatorische Arbeiten für ihre Kunden erledigen, dürften ab sofort noch mehr auch als Berater gefragt sein. Gut denkbar, dass sich Menschen bereits zu Lebzeiten beim Bestatter ihres Vertrauens informieren.
In Boppard und Umgebung gibt es einige bekannte und erfahrene Bestattungsunternehmen. Der Rhein-Hunsrück-Anzeiger hat stellvertretend Simon Bausen, Inhaber von Bestattungen Bausen, einige Fragen zum neuen Bestattungsgesetz gestellt:
Welche Bestattungen bieten Sie an?
Bausen: Wir bieten alle Bestattungsformen an. Bei der Urnenbestattung gibt es nach dem neuen Bestattungsgesetz jetzt deutlich mehr Möglichkeiten als bisher.
Wie gehe ich bei einem Trauerfall vor?
Bausen: Wenn ein Angehöriger zu Hause im Familienkreis verstirbt, muss zuerst der Hausarzt benachrichtigt werden. Wenn der Hausarzt oder Bereitschaftsarzt die benötigten Papiere, den Totenschein, ausgestellt hat, kann die Familie den Bestatter anrufen. Dann wird der Termin für die Überführung gemacht. Im Altenheim ruft das Pflegepersonal den Arzt an.
Wie lange dauert es, bis Verstorbene von Bestattungsfirmen abgeholt werden?
Bausen: Das kann auf Wunsch sehr schnell gehen. Grundsätzlich gilt: Zuhause und im Altenheim kann die verstorbene Person bis zu 36 Stunden am Sterbeort bleiben. So ist es möglich, dass der Verstorbene beispielsweise eine letzte Nacht in gewohnter Umgebung bei der Familie verbleiben kann. Dann wird ein Beratungstermin bei der Familie oder beim Bestatter vereinbart, bei dem alles für die Beerdigung besprochen wird. Auch die behördlichen Abmeldungen beim Standesamt bieten wir an. Da bekommt man die Sterbeurkunden, um Rente und Krankenkasse abzumelden.
Wie unterscheiden sich die Bestattungsformen bezüglich der anfallenden Kosten?
Bausen: Die Kosten bei Urnen- oder Sargbestattung sind fast gleich. Die späteren anfallenden Kosten wie Steinmetz und die laufende Grabpflege kommen noch hinzu. Die Kosten richten sich nach der Warenleistung wie Sarg, Urne, Gedenkkärtchen. Die Dienstleistungen sind unsere Leistungen wie die Überführung der verstorbenen Person, Beratungsgespräche und die Arbeiten am Beerdigungstag. Die Fremdleistungen setzen sich aus Traueranzeigen, Blumenschmuck, Friedhofskosten der Stadt, Krematoriumskosten, Kosten für ein Schiff und auch Trauerkaffee zusammen. Hinzu kommen Ausgaben für Sterbeurkunden, den Totenschein und eventuell für den Klimaraum im Krankenhaus. Alles zusammen ergibt den Endpreis.
Zur Flussbestattung: Wie läuft eine solche Bestattung konkret ab?
Bausen: Die Urne muss eine spezielle Urne aus Zellulose sein, die im Wasser sinkt und sich unten am Grund auflöst und somit die Asche mit der Strömung mitgeht. Die Asche darf nicht ausgeschüttet werden! Und wir als Bestatter müssen auch mit auf dem Boot/Schiff sein. Die Angehörigen dürfen aber die Urne dem Wasser übergeben. Ob man eine Trauerfeier auf dem Boot, in der Kirche oder auf dem Friedhof macht, hängt von der Größe der Trauergesellschaft ab. Die Kosten können wir bislang nicht exakt sagen, da dies Fremdleistungen sind. Wir sind aber in engem Austausch mit Boots- und Schiffsinhabern, die wiederum mit dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Koblenz.
Werden Bestattungen auf den Friedhöfen Ihrer Meinung nach deutlich weniger werden?
Bausen: Ob die neuen Möglichkeiten stark genutzt werden, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.


