Region. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) hat sich in den vergangenen Jahren unermüdlich dafür starkgemacht, dass die Mehrwertsteuer für die Gastrobranche von 19 auf 7 Prozent – wie bereits temporär während der Corona-Pandemie – gesenkt wird. Die Lobbyarbeit hatte Erfolg: Die von Bundeskanzler Friedrich Merz geführte Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag die gewünschte Reduzierung der Mehrwertsteuer mit Wirkung vom 1. Januar kommenden Jahres an fixiert.
Während die kriselnde Branche die Entscheidung der Bundesregierung mit großer Erleichterung zur Kenntnis nimmt, gibt es auch heftige Kritik an ihr. Steuerexperten führen die Kosten von gut drei Milliarden Euro jährlich für „das Geschenk“ an, Ökonomen halten sie für ungerecht, da sich auch zahlreiche andere Branchen in wirtschaftlichen Turbulenzen befinden. Und eine dritte Gruppe wird die Auswirkungen der Mehrwertsteuersenkung vermutlich mit Argusaugen beobachten: Die Kunden erwarten, dass die Preise für Speisen und Getränke infolge des niedrigeren Mehrwertsteuersatzes sinken werden.
Existenzen werden gesichert
Eine Erwartung, die sich nach Auffassung von Branchen-Insidern kaum erfüllen dürfte. „Sieben Prozent Mehrwertsteuer sind eine Entscheidung für die heimischen Gastgeber“, sagt Josef Mayer, Vorsitzender der DEHOGA im Rhein-Hunsrück-Kreis. „Die Senkung der Mehrwertsteuer wird das Überleben vieler Betriebe in unserer Region ermöglichen und das rasante Gastronomiesterben hoffentlich spürbar abbremsen“, so der Bopparder. „Existenzen werden gesichert, Arbeits- und Ausbildungsplätze und die kulinarische Vielfalt als ein wesentliches Stück Lebensqualität bleibt erhalten“, so Josef Mayer.
Josef Mayer entkräftet die Mär vom teuren Steuergeschenk an die Gastronomen mit Argumenten: „In Rheinland-Pfalz haben in den vergangenen Jahren fast 3.000 Betriebe für immer dicht gemacht. „Damit sind mehr als 8.000 Arbeitsplätze verloren gegangen“, nennt der frühere Chef des renommierten Landgasthofs Eiserner Ritter eine erschreckende Zahl, die zugleich auch für ein Minus bei den Steuereinnahmen sorgt. „Hinzu kommt, dass keine Branche so viele Zulieferer wie wir benötigt“, sagt Josef Mayer. Getränkelieferanten, Bäcker, Metzger, Lebensmittel-Großhändler und Anbieter regionaler Produkte, aber auch Wäschereien und Reinigungsfirmen hängen sehr stark von einer frequentierten und gesunden Gastronomie ab. „Die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes ist aus Sicht des DEHOGA deshalb alles andere als ein Geschenk für die Gastronomie, sondern eine vernünftige wirtschaftliche und steuerpolitische Entscheidung.
Preissenkungen wenig realistisch
Es ist, allerdings äußerst unwahrscheinlich, dass Hotelgäste und Restaurantbesucher die Mehrwertsteuersenkung beim Bezahlen spüren – vielleicht sogar in voller Höhe von 12 Prozent. „Entsprechende Erwartungen hört man überall, auch in der Bopparder Rheinallee“, sagt Josef Mayer. „Was viele nicht verstehen: Die Mehrwertsteuer betrifft nur den Bruttopreis, nicht jedoch den Nettobetrag, den wir als Betrieb tatsächlich benötigen. Unsere Branche kämpft mit erheblichen Kostensteigerungen – insbesondere bei Personal, Lebensmitteln (30 Prozent) und Energie. Wenn wir unsere Preise pauschal um 12 Prozent senken würden, könnten wir die nötigen Erlöse nicht mehr erzielen, um wirtschaftlich bestehen zu können“, sagt Mayer und legt zur Veranschaulichung dem RHA eine Kalkulation vor. „Wir brauchen diese Entlastung zur Investition in Qualität, Mitarbeiterbindung und zur Deckung gestiegener Betriebsausgaben.
Fast alle Gastronomen bewerten die vermutlich im Januar greifende Mehrwertsteuersenkung als Überlebenshilfe in einer weiter äußerst schwierigen Gemengelage. Die anhaltend gefährlich hohen Energiekosten, steigende Lebensmittelpreise, die unsichere Gesamtwirtschaftslage und eine steigende Arbeitslosenzahl drücken auf die Stimmung. Die drohende Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro würde viele Betriebe vor weitere große Herausforderungen stellen und hätte schwer zu verkraftende Auswirkungen auf das gesamte Lohngefüge. Josef Mayer und seine Kollegen sind sich in einer Einschätzung einig: Die Gastronomiebranche wird auch in den kommenden Jahren einige hohe Hürden nehmen müssen. Ohne die Mehrwertsteuersenkung aber würden sie gar nicht bis zur ersten Hürde kommen.