Boppard. Katholiken und Protestanten beklagen seit Jahren eine hohe Zahl von Kirchenaustritten. Nur noch rund 45 Prozent der Bevölkerung in Deutschland gehören aktuell einer Kirche an. Und da auch immer weniger Eltern ihre Kinder taufen lassen, sind die Zukunftsaussichten alles andere als rosig. Ein weiteres Problem: Nur vergleichsweise wenige der noch 37,8 Millionen Mitglieder nehmen aktiv am religiösen Leben teil.
Inzwischen weiß ein großer Teil der Gesellschaft nicht mehr, was Christinnen und Christen an Pfingsten oder Fronleichnam eigentlich feiern. Kein Wunder deshalb, dass vor dem Hintergrund nachlassender Bedeutung des christlichen Glaubens in unserer Gesellschaft die Frage nach dem Sinn christlicher Feiertage immer mal wieder in Medien thematisiert wird.
Der Rhein-Hunsrück-Anzeiger hat Stefan Dumont, Leitender Pfarrer der Pfarrei Mittelrhein St. Josef, anlässlich des bevorstehenden Pfingst-Wochenendes gefragt, wie die Entwicklungen in Boppard sind und wie er die sinkende Zahl der Kirchenmitglieder bewertet. Der engagierte Pfarrer sagt klipp und klar: „Jeder Kirchenaustritt ist einer zu viel.“
Nehmen Sie als Pfarrer in Boppard ein nachlassendes Interesse an Pfingsten wahr?
Stefan Dumont: Ob es nachlässt, weiß ich nicht. Aber es steigert sich jedenfalls nicht. Pfingsten ist bei uns verbunden mit dem Auftakt der Nachbarschaftskirmes, und da ist schon „Betrieb“. Vielerorts gibt es an Pfingsten auch ökumenische Veranstaltungen und Gottesdienste, aber das haben wir in Boppard seit vielen Jahren schon am Christi-Himmelfahrtstag gehabt. Da ist der Zuspruch immer recht gut.
Wie stark werden Gottesdienste an Pfingsten besucht?
Stefan Dumont: Nicht viel anders als an anderen Sonntagen. Der Pfingsttag hat bei uns nicht die Bedeutung von Ostern oder Weihnachten, wo „man“ eher mal erwägt, in den Gottesdienst zu gehen. Die sonntägliche Gottesdienstgemeinde ist auf jeden Fall da.
Haben die Kirchenaustritte während der vergangenen Jahre Ihre Arbeit verändert?
Stefan Dumont: Ja, das muss man sagen. Jeder Kirchenaustritt ist einer zu viel. Im Jahr 2024 waren es 111 in der Mittelrheinpfarrei. Dazu 112 kirchliche Beisetzungen. Zusammen mit den Um- und Wegzügen katholischer Gemeindemitglieder beziehungsweise mit den Beisetzungen katholischer Christen, die etwa von Trauerrednern begleitet werden, sind es im Schnitt pro Jahr 300 Leute, die uns fehlen. Bei nur 28 Taufen im Jahr 2024 lässt sich schnell abschätzen, dass wir rapide weniger werden. Das macht sich dann später auch finanziell bemerkbar. Die Zuweisungen des Bistums an die Pfarrei hängen an der Katholikenzahl (derzeit rund 6.900 bis 7.000). Davon müssen auch die Kirchen und andere Häuser unterhalten werden – Kitas, Pfarrhäuser, das Ägidiusheim, das Alumnat und so weiter. Je weniger Leute wir in Boppard in der Pfarrei haben, je knapper wird das Budget. Eine andere Auswirkung zeigt sich in der pastoralen Arbeit. Versuche heute mal, Paten für eine Taufe oder Firmung zu bekommen, die „ganz normal“ katholisch sind – also getauft, gefirmt und immer noch Kirchenmitglied. Das ist für viele taufwillige Eltern heute gar nicht mehr so einfach. Aber: Generell fragen wir nicht zuerst, ob jemand Kirchenmitglied ist, wenn man mit einem Anliegen zu uns kommt. Je nachdem spielt das dann aber später schon eine Rolle.
Wie entwickelt sich die Zahl der Taufen in Boppard?
Stefan Dumont: Da ist eine Menge Luft nach oben.
Warum sollte man trotz einer feststellbaren Säkularisierung in der Gesellschaft unbedingt an kirchlichen Feiertagen festhalten?
Stefan Dumont: Die Frage stellt sich in der Tat. Denn der arbeitsfreie Tag sollte ja eigentlich die Mitfeier des kirchlichen Festes in der Gemeinde ermöglichen. Heute ermöglicht er einfach nur jede Menge andere Veranstaltungen und Feste – parallel zu den kirchlichen. Kirche könnte auch anders feiern. Das sieht man etwa in Italien: Da gibt es keinen Fronleichnamstag und keinen Himmelfahrtstag. Das wird dort sonntags gefeiert, weil die Donnerstage eben keine gesetzlichen Feiertage sind. Eigentlich müsste eine Gesellschaft, die (aus welchem Grund auch immer) keinen Wert mehr auf die kirchlichen Feste legt, konsequenterweise auf die Feiertage verzichten.
Was halten Sie von Vorschlägen, die eine Reduzierung kirchlicher Feiertage zugunsten weltlicher Feiertage (Frauentag, Tag der Demokratie, Tag der Religionen, …) andenken?
Stefan Dumont: Das ist in der Konsequenz aus der vorausgehenden Antwort bedenkenswert.
Zu guter Letzt: Was ist Ihre Kernbotschaft als Pfarrer zu Pfingsten?
Stefan Dumont: An Pfingsten wurde deutlich, dass Gott es schafft, die Menschen zu bewegen, positiv zu denken und zu handeln. Ich glaube, dass Pfingsten ein Fest der Vielfalt ist – in der Kirche, aber auch darüber hinaus. Wer auch immer sich auf den Gedanken einlässt, dass sein Leben mit Gott zu tun hat, kann daraus Kraft schöpfen. Für sich selbst – und im Umgang mit den anderen.