Berlin/Boppard. Julian Joswig ist in Berlin angekommen. Der 31-jährige Grünen-Politiker aus Boppard-Bad Salzig, der bei der Bundestagswahl über die Landesliste ein Mandat gewonnen hat, kann es immer noch nicht richtig fassen, dass er jetzt Bundestagsabgeordneter ist. „Mein Traum ist in Erfüllung gegangen“, sagt der Betriebswissenschaftler, der an der WHU in Vallendar und renommierten Universitäten in Mailand und Paris studiert hat. „Wenn ich morgens in mein Büro gehe, fühlt es sich immer noch unwirklich an. Ich bin dankbar und demütig zugleich und freue mich auf die politische Arbeit.“
Bereits 2021 hatte er für ein Bundestagsmandat kandidiert, damals scheiterte er nur hauchdünn. Doch bereits in der Stunde der Niederlage blickte er nach vorn und verlor sein Ziel nicht aus den Augen.
In Berlin hat er bereits zwei Fraktionssitzungen in einem der Türme des Reichstags erlebt. „Man spürt die Enttäuschung über das Wahlergebnis. Aber wir blicken nach vorne und wollen als Opposition der Arbeit der künftigen Bundesregierung kritisch und konstruktiv gegenüberstehen“. Während einige erfahrene Grüne ihre Büros räumen müssen, richten sich andere, wie Julian Joswig, gerade ein. Umzugskisten und Möbel stehen überall in den Gängen des Bürogebäudes, es wird gestrichen, renoviert und gehämmert. Während des Gesprächs mit dem RHA-Redakteur richtete ein IT-Techniker PCs und Telefonanlage in einem Mitarbeiterraum ein. „Ich habe die Büroräume im Otto-Wels-Haus von Tobias Lindner, der sich aus der Politik zurückzieht, übernommen“, sagt Julian Joswig. „Aus dem Fenster sehe ich auf der einen Seite die russische Botschaft, auf der anderen Seite schaue ich in einen Innenhof.“ Im Otto-Wels-Haus ‚Unter den Linden’ war zu DDR-Zeiten das Ministerium für Außenhandel untergebracht, nach der Wende wurde es aufwendig restauriert und ist jetzt eines der zahlreichen Gebäude, in denen Abgeordnete und ihre Teams arbeiten. Über Bewegungsmangel dürfte sich Julian Joswig sicherlich nicht beklagen. Zum Fraktionssaal und dem Plenum muss er „einige Schritte“ zurücklegen und zu den Ausschusssälen in den Rotunden des Paul-Löbe-Hauses benötigt er sogar rund zehn Minuten.
Wer künftig seine Kompetenzen in welchen Ausschüssen einbringen wird, ist bei den Grünen bislang nicht final geklärt. „Aufgrund meines Studiums und meiner Erfahrungen wäre ich natürlich gerne ordentliches Mitglied im Wirtschaftsausschuss oder auch im Finanzausschuss. Doch da ist noch nichts entschieden“, verrät er seine Wünsche. Man spürt, dass Julian Joswig sich auf seine Aufgaben freut und voller Leidenschaft die Arbeit als Abgeordneter angehen wird – unabhängig davon, welche Aufgaben er letztlich für seine Fraktion übernehmen wird.
Zurzeit ist er dabei, sich ein Team aufzubauen, für sein Berliner Büro hat er die Stellenausschreibungen fertig gemacht. „Natürlich suche ich auch nach einer passenden Räumlichkeit für ein Wahlkreisbüro, damit die Menschen auch in meiner Heimat eine Anlaufstelle haben“, gibt der junge Bundestagsabgeordnete Einblick in seine Planungen. Angst davor, dass er „unter der Kuppel“ des Reichstags die Bodenhaftung verliert, muss man anscheinend nicht haben. Statt den Fahrdienst in Anspruch zu nehmen, der die Abgeordneten rund um die Uhr in Berlin kostenfrei chauffiert, fährt Julian Joswig mit U- und S‑Bahn durch Berlin. Allein dadurch ist er Tag für Tag bereits auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz mitten im realen Leben.