Boppard. Corona-Pandemie und vor allem der Krieg in der Ukraine haben die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Lieferengpässe, die schmerzlich spürbare Inflation, eine drohende Rezession und nicht zuletzt die grausamen Kriegsbilder von Tod, Leid, Elend und Zerstörung haben andere relevante Themen in den Hintergrund gedrängt. Dazu gehört auch der entschlossene Kampf für den Klimaschutz.
In Boppard hat der Stadtrat das Ziele „Klimaneutralität“ bereits vor etwa zweieinhalb Jahren beschlossen. Mit einem Bündel an Maßnahmen – durchaus ambitioniert, aber auch unstrittig zielführend – will man im kleinen Boppard einen Beitrag zur Lösung des globalen Problems leisten. Städtische Maßnahmen sollen dem Klimaschutz dienen. Die Hoffnung ist groß, dass in Kombination mit landes- und bundespolitischen Entscheidungen und internationalen Anstrengungen das apokalyptisch anmutende Zerstören von Natur und Umwelt endlich gestoppt werden kann.
In Boppard jedenfalls ist man fraktionsübergreifend bereit, einen Beitrag zu leisten. Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Stadtrat, Andreas Roll, hat jetzt von Bürgermeister Jörg Haseneier Antworten auf Fragen zum aktuellen Sachstand in Sachen Klimaschutz in der Stadt Boppard erhalten. Hier ein gekürzter Auszug:
Wie will die Stadt das beschlossene Ziel der Klimaneutralität erreichen und welche Maßnahmen wurden hierzu bereits umgesetzt?
Antwort Jörg Haseneier: Das Ziel der Klimaneutralität will die Stadt Boppard einerseits durch die Umsetzung der Maßnahmen aus dem Stadtratsbeschluss vom 14. Oktober 2019 sowie den in der Arbeitsgruppe EMOLI entwickelten und am 16. November 2020 beschlossenen Maßnahmen erreichen. Zusätzlich soll dies durch die im Klimaschutzkonzept gewonnen Erkenntnisse (…) ergänzt und priorisiert werden. In der Umsetzung befinden sich folgende Maßnahmen:
– Im Bereich Förderung der Biodiversität wurde als „Sofortmaßnahme“ der Grünschnitt städtischer Wiesen auf einer Fläche von rund 32k m² auf ein jährliches Mähen reduziert.
– Zusätzlich beschloss der Ausschuss für Umweltschutz, Forst- und Landwirtschaft die Erstellung einer geförderten kommunalen Biodiversitätsstrategie, auf deren Grundlage weitere Maßnahmen für diesen Bereich abgeleitet werden sollen. Der dazu nötige Förderantrag wird zurzeit von der Fachbehörde bearbeitet.
– Die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED wurde ebenso zeitnah begonnen und wird, unter Berücksichtigung der aktuellen Förderkulisse und den Mitteln im Haushalt, sukzessive umgesetzt.
– Ferner erfolgt die schrittweise Elektrifizierung des Fuhrparks bei anfallenden Neu- und Ersatzbeschaffungen.
– Im Bereich der Mobilität forciert die Stadt Boppard den Umstieg auf alternative Antriebe und Mobilitätskonzepte durch die Erstellung des Radfahrkonzepts, den Ausbau der Ladeinfrastruktur und der Teilnahme am Dorfauto-Projekt (eCarsharing).
– Teil des Konzeptprozesses ist die Erfassung und Analyse der Gebäudedaten und darauf aufbauend die Ableitungen von Potentialen und Handlungsoptionen. (….).
– Für das Segment der Klimaanpassung erstellt die Stadt Boppard ein Starkregenkonzept. Ebenso ist eine Machbarkeitsstudie für die künstliche Bewässerung des Bopparder Hamms projektiert, für die in diesem Jahr der Förderantrag eingereicht wird.
– Darüber hinaus initiiert der Zweckverband „Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal“ ein Netzwerk der Klimaschutzmanager*innen der Region (…).
In welchem Stadium befindet sich die seit 2021 mit Bundesmitteln geförderte und vom Projektträger Jülich umgesetzte Konzeptaufstellung?
Antwort Jörg Haseneier: Der Zeitplan sah für den 30. April einen Zwischenbericht beim Projektträger vor. Dieser musste nach Vorgabe lediglich eine Gliederungsübersicht für den Schlussbericht enthalten, er ist in den ersten Kapiteln inklusive der Bilanzierungsergebnisse jedoch bereits ausformuliert. Das Gesamtprojekt ist bis zum 30. April 2023 angesetzt. Die Erstbilanzierung ist mit hohem Aufwand verbunden, da die benötigten Datenquellen zunächst „erschlossen“ werden müssen.
– Die IST-Analyse sowie Energie- und THG-Bilanzierung nach der vom Bund vorgegebenen „Bilanzierungssystematik kommunal“ (Kurz: BISKO-Standard) ist abgeschlossen. Dabei handelt es sich um eine endenergiebasierte Territorialbilanz, in dessen Ansatz alle Verbräuche auf Ebene der Endenergie berücksichtigt und verschiedenen Verbrauchssektoren zugeordnet werden, die in einem definierten Territorium (in diesem Fall der Stadt Boppard) anfallen. Graue Energie wird dabei nicht bilanziert. Die Berechnung der Treibhausgase erfolgt anschließend über spezifische Emissionsfaktoren. Dabei werden nicht nur reine CO2-Emissionen, sondern auch weitere Treibhausgase (N2O und CH4) in CO2-Äquivalente umgerechnet und die Vorketten berücksichtigt.
– Die Bilanz im Verkehrssektor umfasst sowohl kommunal beeinflussbare Binnen- sowie Quell- und Zielverkehre, aber auch die kaum beeinflussbaren Straßen-Durchgangsverkehre, öffentliche Personenfernverkehre sowie Schienen- und Binnenschiffsgüterverkehre. Um eine für Boppard spezifischere Aussagekraft herzustellen, wird die Betrachtung in diesem Bereich zurzeit um eine Bilanzierung nach dem Verursacherprinzip ergänzt. (…).
Folgende Ergebnisse ergab die Bilanzierung nach BISKO-Methodik.
Für die Stadt konnte ein Endenergieverbrauch von rund 640.600 MWh ermittelt werden, welcher die Emittierung von 204.147 t CO2-Äquivalenten verursachte. Die Emissionen schlüsseln sich nach Segmenten wie folgt auf:
– Der Bereich Gewerbe, Handel und Dienstleistungen hatte einen Endenergieverbrauch von rund 19.000 MWh (6.000 tCO2e), die Industrie von 53.000 MWh (20.000 tCO2e), Private Haushalte 167.000 MWh (48.000 tCO2e) und kommunale Einrichtungen 5.800 MWh (2.000 tCO2e).
– Den größten Endenergieverbrauch hat der Sektor Verkehr mit 396.000 MWh (127.000 tCO2e), wobei sich hier aus den oben genannten Gründen noch Änderungen (nach unten) ergeben werden.
– Betrachtet man die Ergebnisse nach Energieträgern, sind vor allem Erdgas, Heizöl und Strom sowie Benzin und Diesel im Bereich Verkehr für die Emissionen verantwortlich.
– Die Emissionen für den Energieträger Strom (und Heizstrom) werden über die Zusammensetzung des Bundesmixes berechnet. Eine Alternative Betrachtung über den lokalen Strommix ist möglich, für Boppard ergeben sich dadurch aber kaum Verbesserungen, da dem Endenergieverbrauch im Bezugsjahr von rund 83.000 MWh nur eine Einspeisung von 3.000 MWh (100% aus solarer Strahlungsenergie) gegenübersteht.
Auf der Homepage sind unter der Rubrik „Klimaschutz in Boppard“ verschiedene Einzelmaßnahmen wie die Wärmegewinnung beim Kläranlagenprojekt, aber auch das Dorfautoprojekt aufgeführt. Warum aber sind die weiteren zugehörigen Beschlüsse des Rates (beispielsweise die 2020 getroffenen Beschlüsse zur Elektromobilität, zur Ladetechnik und zum Photovoltaikausbau) nicht ebenfalls unter diesem Punkt zu finden?
Antwort Jörg Haseneier: Im Rahmen des Klimaschutzkonzepts soll auch eine Strategie zur Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit erstellt und beschlossen werden. Dabei wird auch bestimmt, welche Informationen in welchem Umfang auf der Internetpräsenz der Stadt bereitgestellt werden. Die bisher veröffentlichten Themen dienen der Information der Bürger über aktuelle Angebote (Dorfauto) sowie der Erfüllung von Förderbestimmungen (Kläranlagenprojekte).